Besprechung KLOETERS BRIEF 3

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novembersonne
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Beitrag von novembersonne »

heroto, für mich ist das sehr schwer, dazu was zu sagen, weil ich ja nicht ganz genau weiß, was los ist bei euch.

Ich wills trotzdem probieren.

Erstens hats mich ein wenig an das von Verena erinnert, die anfangs auch so hilflos mit Matteo war: habt ihr schon mal an kiss gedacht? Oder auch an das was Kloeters schreiben: sind es Ohrenschmerzen, Leistenbruch (andere organische Probleme)?

Zweitens musste ich auch an das "kompetente Kind" von Juul denken: es ist für Kinder wichtig, WIRKLICH un dwahrhaftig gesehen zu werden.
ich bin mir sicher, Du tust dein Bestes und gibst ihm alle deine Liebe.
Aber vielleicht nicht die, die er braucht? vielleicht bist Du durch den Großen auf was anderes gepolt? Und er schreit, um endlich verstanden zu werden? Mein Bub hat z.B. zeits auch geschrien beim Aufwachen, er hat den Unterschied nicht verkraftet. ich war da, habe mich angeboten, aber nicht aufgedrängt.

Drittens bist Du in manchen Situationen sowohl körperlich wie auch nervlich am Ende. DEINE Grenzen sind überschritten worden. Und das versuche so schnell wie möglich zu ändern: Deine grenzen zu ziehen, und diese auch einzuhalten.
Wie ich grad bei der Haltestellengeschichte mitgelitten habe (bei uns war Winter und alles gaaaaanz eklig)....
ICH denke, wenn man dann versucht, zu formulieren was einem wirklich wichtig ist (Schreien aufhören, sich setzen...NICHT wichtig: wie die Leute gucken, ob Dreck an die Bux kommt.....) hilft das zu einer inneren Klarheit, und handelssicherheit und beides überträgt sich dann auch aufs Kind...........

Und du hast recht, nur Körperkontakt und Liebe scheinens nicht zu sein, sonder auch das genauere wie und wann und was.

lg
Liebe Grüße
kado

Bub 07/2005; Bub 01/2008; lütte Deern 2/2012
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maerz
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Beitrag von maerz »

Verena hat geschrieben:Dann hab ich das Beispiel, wo das Kind beim BAbysitter in zehn Tagen viermal weinte als überzogen empfunden. Weinen Eure Kinder so selten? Also hier ist das anders.... auch wenn ich nicht denke, dass Matteo VIEL weint... oder doch? also viermal haben wir manschmal morgens um 9 schon voll..... oder ich definiere weinen anders....


Inga weint auch deutlich häufiger als vier Mal in zehn Tagen, auch häufiger als vier Mal pro Tag... Manchmal weint sie vier Mal pro Stunde, fürchte ich... :(

Ich habe das in den letzten Tagen mal verstärkt beobachtet und festgestellt, dass ich abends häufig ziemlich entnervt bin, weil ich Inga schrilles Meckern, Jammern oder Weinen einfach nicht mehr hören kann... :shock: :cry: Ich habe mir den Brief nun noch einmal durchgelesen, vor allem den Abschnitt "Kind stört bei der Hausarbeit". Den Rat, dass man Zeit verlieren solle, um Zeit zu gewinnen, finde ich eigentlich klasse - aber bei uns scheint das im Moment leider nicht zu funktionieren...

Ich versuche ja, mich auf Inga einzulassen, tröste sie, wenn sie weint und beschäftige mich mit ihr - aber ich kann das eben nicht rund um die Uhr tun. Die Aussage, Weinen sei schlimmer als schmutzige Fensterscheiben, bringt mich in dieser Hinsicht auch nicht weiter. Klar, aufs Fensterputzen kann ich verzichten - aber ich muss gelegentlich doch mal die Spülmaschine einräumen, kochen oder mir einfach nur Schuhe anziehen, damit wir Eike abholen können. Und es gibt wirklich Tage, an denen ich eine halbe Stunde brauche, um die Spülmaschine einzuräumen und 20 Minuten, um mich für den Weg zum Kindergarten anzuziehen, weil ich zwischendurch immer wieder versuchen muss, Inga zu trösten... :roll: :shock: :(

Leider merke ich auch, dass ich ein wenig abstumpfe und auf Weinen nicht immer sofort reagiere, vor allem wenn ich weiß, dass ich die Ursache nicht beheben kann. Inga weint zum Beispiel ganz häufig, nachdem sie sich am Stuhl hochgezogen hat, weil sie noch nicht weiß, wie sie wieder in den Vierfüßlerstand kommt. Und egal, was ich dann mache - ob ich sie auf den Schoß nehme und tröste oder ob ich ihr helfe, sich auf den Po oder auf die Knie zu setzen - sie wird nach meinem Eingreifen noch lauter... In diesen Situationen denke ich dann häufig an die Leiterin unserer Krabbelgruppe, die mit Hinweis auf Emmi Pikler behauptet, dass Unzufriedenheit die Grundvoraussetzung für Entwicklung sei.

Auf jeden Fall kenne ich Situationen, in denen ich wirklich keine Lust mehr habe, Inga zu trösten. Wenn ich alles versucht habe, wenn ich sie gestillt habe, sie gewickelt habe, versucht habe, sie ins Bett zu legen, oder mit ihr gespielt habe und sie trotz allem immer weiter jammert, dann bin ich irgendwann so genervt und ratlos oder gar wütend, dass ich mich entweder wirklich total zusammenreißen muss, weitere Beruhigungsversuche zu unternehmen, oder aber wirklich mal zum Durchatmen in ein anderes Zimmer gehe, um durchzuatmen und mich ein wenig abzuregen... :oops:
maerz
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Heroto
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Beitrag von Heroto »

Hallo Andrea,

diese Gefühle, die du beschreibst, kenne ich auch gut.
Ich denke, die Hauptursache dafür ist zum einen, dass ich mich dann irgendwann unzulänglich fühle, weil ich wirklich nicht mehr weiß, was ich noch tun kann.
Zum anderen kommt hinzu, dass ich ja noch eigene Pläne habe, die dadurch durchkreuzt oder verhindert werden.
Wenn ich weniger Pläne habe, wirklich mehr Zeit habe, einfach auf mein Kind einzugehen, dann läuft es bei uns auch eher rund.

Wenn Inga sich zum Stehen hoch gezogen hat und noch nicht wieder selber runter kommt, dann kannst du ihr etwas interessantes schräg unten zum Greifen anbieten. Dadurch lehnt sie sich schräg und schafft es vielleicht selbst und das ist dann wiederum wieder nich so frustrierend, als wenn du sie vielleicht in eine Position bringst, die sie ja gar nicht einnehmen möchte.
Liebe Grüße von
Heroto mit 3 Jungs (9, 7 und 3 J.)
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Heroto
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Beitrag von Heroto »

Hallo Tinka,

danke, dass du auf meinen Beitrag eingegangen bist.

novembersonne hat geschrieben:heroto, für mich ist das sehr schwer, dazu was zu sagen, weil ich ja nicht ganz genau weiß, was los ist bei euch.


Ja, das ist klar.
Ich habe zwar viel geschrieben. es kann trotzdem nicht ausreichen und ist natürlcih subjektiv :wink:

Erstens hats mich ein wenig an das von Verena erinnert, die anfangs auch so hilflos mit Matteo war: habt ihr schon mal an kiss gedacht? Oder auch an das was Kloeters schreiben: sind es Ohrenschmerzen, Leistenbruch (andere organische Probleme)?


Nein, organische Probleme kann ich ausschließen. Wir waren da auch in Behandlung, z.B. bei einer Osteopathin.
Es ist wohl einfach Charaktersache. er ist ja auch nicht immer unzufrieden. Es gibt Tage, da ist er das bestgelaunte Kleinkind überhaupt.
Schlimm wird es immer, wenn er nicht genügend schläft.
Ich versuche ja immer, ihm seine Ruhepausen zu ermöglichen. Manchmal stillt er jedoch nur und schläft nicht ein, schafft es dann nicht im Tuch. Und dann kommt der Alltag, dass ich z.B. den Großen vom KiGa abholen muss. Ich habe dann einfach keine Zeit, mich stundenlang mit ihm ins Bett zu kuscheln.

Zweitens musste ich auch an das "kompetente Kind" von Juul denken: es ist für Kinder wichtig, WIRKLICH un dwahrhaftig gesehen zu werden.


Ja, das ist ein gutes Punkt.
Ich habe anfangs auch gedacht, es ist schon richtig, dass mein Babylein so viel geschrien hätte. Sonst hätte sich weiterhin alles nur noch um den Großen gedreht und er wäre so mitgelaufen - stillender und tragenderweise :wink:
Jetzt ist er jedoch schon 1 1/2 und es ist nicht direkt besser geworden, nur anders. es ist wohl deshalb einfach auch temperamentssache - entweder himmelhochjauzend oder zu todebetrübt und keine Zwischenstadien.
ich bin mir sicher, Du tust dein Bestes und gibst ihm alle deine Liebe.
Aber vielleicht nicht die, die er braucht? vielleicht bist Du durch den Großen auf was anderes gepolt? Und er schreit, um endlich verstanden zu werden?


Ja, ich gebe mir große Mühe ihn zu verstehen. Manchmal klappt es nicht so.
Sicherlich war ich anfangs auf den Großen gepolt und habe bei ihm erst umdenken müssen. So hat er z.B. besser geschlafen tagsüber, wenn ich ihn alleine ins Schlafzimmer gelegt habe. Da musste ich auch erst umdenken, denn ich war der Auffassung, dass kleine Babies vor allem die Gesellschaft und das Gefühl, nicht alleine zu sein, bräuchten. Bei ihm war das anders.

Drittens bist Du in manchen Situationen sowohl körperlich wie auch nervlich am Ende. DEINE Grenzen sind überschritten worden. Und das versuche so schnell wie möglich zu ändern: Deine grenzen zu ziehen, und diese auch einzuhalten.
Wie ich grad bei der Haltestellengeschichte mitgelitten habe (bei uns war Winter und alles gaaaaanz eklig)....
ICH denke, wenn man dann versucht, zu formulieren was einem wirklich wichtig ist (Schreien aufhören, sich setzen...NICHT wichtig: wie die Leute gucken, ob Dreck an die Bux kommt.....) hilft das zu einer inneren Klarheit, und handelssicherheit und beides überträgt sich dann auch aufs Kind...........


Hmm, ich weiß nicht so recht.
Ich denke schon, dass ich klar bin.
Das, was du anführst, ging aber nicht parallel. Schreien aufhören ging nur, wenn ich ihn umhertrug. Setzen ging nur mit schreiendem Kind.
Was die Leute mir sagen, oder sich mein Kind vor 'Trotz' in den Dreck schmeißt, dass sind eh Punkte, die mir (in so einer Situation erst recht, aber auch generell) stinkegal sind.

Ich denke also schon, dass ich klar bin.
'Ich möchte dich nicht tragen. Mein Rücken tut mir weh: Du kannst auf meinen Arm, ich setze mich jedoch'
Aber was tun, wenn er dann trotzdem schreit als ob er abgeschlachtet wird. (Er steigert sich da rein und schafft es nciht, sich zu beruhigen! Das kann so weit gehen, dass er keine Luft mehr bekommt.)
Also halte ich es mit Kloeters 'Wer leidet mehr?'
In diesem Fall: Er! Und dann stehe ich halt doch wieder auf und laufe mit ihm umher. Sicherlich andere würden jetzt sagen, das wäre ja inkonsequent. das Kind würde lernen, dass es durchs Schreien alles erreichen kann. Er braucht in solchen Situation jedoch meine Hilfe. Alleine schafft er es nicht, damit fertig zu werden. Und alles andere (ablenken, stillen, etwas zu essen) funktioniert dann überhaupt gar nicht.

Mein Problem ist ja auch nicht, dass ich dann aufstehe, sondern dass ich es dann widerwillig mache. dass ich mich dazu gezwungen sehe und mich deswegen schlecht fühle.
Ich sollte die Sichtweise ändern. Er zwingt mich ja nciht, er schreit ja nur, weil er ein Problem hat. Wenn ich aufstehe, um mit ihm umherzugehen, ist es ja meine freie Entscheidung. Ich könnte ja auch sitzen bleiben und ihn schreien lassen (was ich ja auch für ein paar(?) Minuten probiert hatte)

Aber zu diesem Punkt fehlt mir in den Kloeters-Brief etwas.
Sie schreiben nicht, wie Mama oder Papa sich dazu bringen können, ihr Kind zu trösten, wenn sie es in dem Moment nicht wollen.

Ziemlich am Schluss steht zwar, dass Eltern, die keinen Körperkontakt geben könnten, es lernen müssten, indem sie immer mal wieder mit ihrem Kind schmusen. Es scheint also einfach nur ein Lernprozess zu sein.
Das ist mir jedoch zu einfach.
Siehe z.B. auch das obrigen Posting von Andrea (maerzkind)
Liebe Grüße von
Heroto mit 3 Jungs (9, 7 und 3 J.)
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Beitrag von novembersonne »

Liebe Heroto!

nur ganz kurz: erstens glaub ich Dir nicht, dass Du Dein Kind schreien lassen kannst (dazu klingst Du zu nett ),

un dzweitens: nein, wenn Du grad keinen Trost spenden kannst 8weil Du innerlich kochst z.b.), dann geht es grad nicht! Ich versuch dann irgendwie runterzukommen (aufstehen, es dem Jungen sagen, durchschnaufen...reicht bei mir aus).

Und dieses nur am Boden legen und schreien kenn ich auch: bei uns ists besser geworden (d.h. ich kann ihn dann leichter erreichen, Alternativen anbieten, ihn in den Arm nehmen), seit ich gelernt habe (tu), seine Frust-grenze wahrzunehmen: geht erst der Papa, dann hab ich keine Zeit und dann darf er noch was nicht, ist evtl auch hungrig, dann ists schwer. So versuch ich ihm dann eben das Verbot est gar nicht auszusprechen oder gleich mit Alternative.

Und wegen Temeperament: vielleicht muss er tatsächlich öfter schreien, weil er so sensibel ist und ihm schnell allse zu viel wird?


lg
Liebe Grüße
kado

Bub 07/2005; Bub 01/2008; lütte Deern 2/2012
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Heroto
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Beitrag von Heroto »

Liebe Tinka,

schön, dass du nochmals schreibst.
Das was du schreibst, kann ich so unterschreiben, ist bei uns ähnlich.

Und danke für die Blumen, dass du nicht glaubst, dass ich meine Kinder schreien lassen könnte, da ich zu nett klinge :oops: :oops: :oops:
Da hast du recht. Richtig schreien lassen kann ich sie nicht. Ich mache es dann eher so wie du, kurz schreien lassen, um mich selbst zu sammeln und dann gehe ich doch hin und bin für sie da.

Ich wollte euch auch noch mal ein kurzes Update geben.
Die letzten Tage waren hier nämlich sehr entspannt und ich bin ganz happy.
Ich denke, die Kloeterein hat uns da gut getan.
Zum einen bin ich mir bewusst geworden, dass meine Kinder mich ja wirklich zu nichts zwingen. Wenn ich meinen Kleinen z.B. dann doch auf den Arm nehme und mit ihm umhergehe, weil er schreit, wenn ich mich mit ihm hinsetze, ist es trotz allem noch meine _freie_ Entscheidung.
Ich könnte ja genauso gut sitzen bleiben und ihn dann schreien lassen. (Das Schreien ist halt seine Art der Meinungsäußerung) Wenn ich dann aufstehe, dann tue ich es aus freien Stücken und sollte ihm dafür auch nicht böse sein, wen ich mich so entscheide. Seitdem ich das so sehe, geht es mir damit besser und ich habe nicht mehr das Gefühl so fremdbestimmt zu sein.

Zweitens habe ich mich jetzt wirklich mal strikt nach Kloeters gehalten mit 'Tröste dein Kind, wenn es weint.'
Nein, eigentlich bin ich weiter gegangen und habe jedesmal reagiert, wenn er mich durch Laute auf irgendeinen Wunsch von ihm aufmerksam gemacht hat. Ich habe mir also zum einen bewusst Zeit für meinen Sohn genommen. Dabei ist mir aufgefallen, dass kleine Signale von ihm wohl schon mal häufiger untergehen. Kein Wunder, dass er dann laut werden muss und dann anfängt zu brüllen. Sonst wird er ja manchmal einfach überhört :oops:
Ich habe dann festgestellt, dass es mit Verboten u.ä. besser umgehen kann, wenn ich bei andern Kleinigkeiten auf ihn eingehe.Wahrscheinlich war es sonst schon häufig gefrustet, dass er nciht so verstanden wird, wie er es gerne hätte (ist ja auch nicht so einfach, wenn die Mäuse noch nicht sprechen :wink:), so dass er dann irgendwelche Verbote zusätzlich gar nicht mehr verkraften konnte.
Die letzen Tage hat er zwar anfangs auch protestitert, ließ sich dann aber immer recht schnell beruhigen oder ablenken (was sonst gar nicht ging)
Und ich habe ihm jetzt bewusster seine RUhepause zugestanden. Ich weiß ja, dass sonst nichts mehr geht, wenn er tagsüber nicht zum Schlafen kommt.
Seitdem läuft es bei uns echt sehr harmonisch ab - so schön!
Liebe Grüße von
Heroto mit 3 Jungs (9, 7 und 3 J.)
Gaby
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Beitrag von Gaby »

Bevor eine von euch meinen Beitrag liest, sollte sie sich im Grundstimmungsbeurteilungsthread mal die Fotos ansehen, die ich dort eingestellt habe, und versuchen die Stimmung zu beurteilen, um zu sehen, ob die Beurteilung mit der von mir beschriebenen Situation übereinstimmt!

So, dann leg ich mal los:

Mir geht es in diesem Thread vor allem um Henri, der im Moment mein "Sorgenkind" ist. Ich finde einiges in bezug auf meinen Sohn in den Beiträgen von heroto wieder.

Henri war leider ein Schreikind (KISS) und ist erst mit 8 Monaten behandelt worden. Dann dauerte es noch mindestens 5-6 Wochen, bis das Schreien langsam weniger wurde. Dementsprechend hatten wir schon eine schwierige Zeit hinter uns, er weinte so viel und so laut, und ich schaffte es oft nicht, ihn zu beruhigen. Wenn er nachts weinte (und das war sehr oft), wehrte er sich regelrecht dagegen, auf den Arm genommen zu werden oder zu stillen, stemmte sich gegen mich, so dass ich mich meistens neben ihn setzte/legte und versuchte ihn so zu beruhigen. Ich habe sehr oft mit ihm mitgeweint, weil ich sein Schreien einfach nicht mehr ertragen konnte und mir keinen Rat mehr wusste.

Soweit zu seinem schweren Start ins Leben. Als es insgesamt mit ihm langsam bergauf ging, war es trotzdem immer noch so, dass er seeehr schnell anfing zu weinen bei der kleinsten Kleinigkeit und sich sehr schwer beruhigen ließ. Er blieb auch ängstlich, vorsichtig und mißtrauisch gegenüber allem Neuen. Gegenüber anderen Leuten reagierte er immer abweisend, ungewohnte und fremde Situationen machten ihm schwer zu schaffen.

Etwa um die Zeit von Mayas Geburt herum (da war er 21 Mon alt) wurde es aber plötzlich viel einfacher mit ihm. Er war ausgeglichener, fröhlicher, konnte besser mit Pia spielen und weinte vor allem viel weniger. Das fiel nicht nur uns auf, sondern auch anderen Leuten, die ja Henri meistens nur als "schwierig" kannten.

Und nun ist er seit einiger Zeit (ca. 4-5 Wochen) wieder ganz in seine alten Muster verfallen. Er schreit wegen der kleinsten Kleinigkeit (Beispiel: seine Nase läuft oder seine Scheibe Brot bricht auseinander) jedes Mal los, und es ist sehr schwer, ihn zu beruhigen. Er kennt auch kein Quengeln oder Jammern, er schreit immer gleich ganz laut und schrill los. Das war schon immer bei ihm so, auch nachts. Ich kannte es lange Zeit bei ihm nur, dass er nachts oder morgens schreiend aufwachte, das ist jetzt wieder so bei ihm.

Ich würde seine Grundstimmung derzeit, wenn ich ihn betrachte, eher als schlecht beurteilen.

Jetzt habe ich den Kloeters-Brief 3 immer und immer wieder gelesen, aber so richtig kann ich daraus nichts für mich ziehen. Klar tröste ich ihn und versuche ihn abzulenken, aber wenn er in so einer schlechten Verfassung wie jetzt ist, ist das fast gar nicht möglich. Er steigert sich irgendwie selbst total da hinein, er reagiert auf nichts mehr, manchmal will er in den Arm genommen werden, oft aber auch nicht, egal was man macht oder sagt, er schreit weiter, ich denke manchmal, dass er das gar nicht registriert.

Abends geht er recht problemlos in sein eigenes Bett zum Schlafen, wenn er nachts weint, nehme ich ihn mit zu mir ins Bett, das ist ganz klar. Er sucht insgesamt viel Nähe zu mir, und die bekommt er auch, wir schmusen schon oft.

Was der Grund für seine schlechte Verfassung ist, habe ich bislang noch nicht wirklich herausbekommen. Meines Erachtens könnten es vor allem folgende Punkte sein:

Dass er zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, kann ich leider nicht ausschließen. Ich gebe zwar mein Bestes, aber ich habe halt insgesamt 3 kleine Kinder, um die ich mich kümmern muss und die mich stark brauchen. Dementsprechend muss sicherlich jedes Kind auch mal zurückstehen.

Er ist momentan insgesamt in einer schwierigen Phase. Er will seinen Willen durchsetzen und sucht seine Grenzen, außerdem habe ich das Gefühl, er sucht noch nach seiner "Rolle" innerhalb der Familie. Einerseits ist er der "Kleine", der noch nicht in den Kiga geht, der bei vielem noch Hilfe benötigt, der noch Windeln trägt, andererseits ist er der "Große" (er sagt auch selbst, dass er kein Baby mehr, sondern schon groß ist), der im Vergleich zu Maya schon so viel kann. Ich habe ihn seit einiger Zeit mehr zur Selbständigkeit angehalten, also zum allein Anziehen usw., auf positive Weise, also mit viel Lob usw., und das klappte zunächst ganz toll (auch ging es schon fast ohne Windel). Jetzt will er aber in der Richtung gar nichts mehr, ich soll alles machen, und da frage ich mich natürlich, ob ich ihm wieder alles abnehmen soll, was er selbst schon kann. Bei diesem Thema gibt es auch viel Geheule ("Das kann ich nicht...").

Mein Sohn vermisst seinen Papa die Woche über ganz arg. Mein Mann, der nur am WE da ist, ist eine ganz starke Bezugsperson für Henri. Wenn der Papa da ist, klebt Henri nur an ihm dran, ich darf gar nichts mehr machen. In der Woche weint er öfters nach seinem Papa.

Ansonsten waren hier meines Erachtens keine besonderen Vorfälle, höchstens vor kurzem unser 5-Tage-Urlaub mit meinen Eltern, in dem Henri sich überwiegend nicht wohl gefühlt hat und auch noch krank war. Der Urlaub scheint seine Stimmung noch weiter verschlechtert zu haben.

Ich bin mir nach wie vor unsicher, wie ich auf Henris Schreianfälle und sein Weinen reagieren soll. Entgegen den Kloeters-Briefen habe ich die Erfahrung gemacht, dass er sich besser beruhigt, wenn ich ihn überwiegend in Ruhe lasse und nicht so stark auf sein Weinen eingehe. Das heißt jetzt nicht, dass ich sein Weinen ignoriere, aber ich versuche dann mit ihm normal zu sprechen und einfach weiter zu machen. Ich habe das Gefühl, dass er umso stärker weint, je mehr er getröstet wird....

Diese Kloeters-Aussage: "Kinder, die häufig oder anhaltend weinen oder bekümmert sind, sind nicht in Ordnung. Die Eltern werden ihnen nicht gerecht." erschreckt mich schon, weil ich fürchte, was Henri angeht, auf der ganzen Linie zu versagen.

O je, jetzt habe ich so viel geschrieben. Falls jemand überhaupt bis hierher gekommen ist: Was meint ihr dazu?

LG!
mit 07/02, 05/04, 03/06 und 10/08

Häng dein Herz an eine wackelnde Welt und dann wunderst du dich dass es runterfällt (Judith Holofernes).
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Heroto
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Beitrag von Heroto »

Hallo Gaby,

zum Ausdruck.
Ich hatte mir deine Fotos vor deinem Posting hier angeschaut und auch das Gefühl, dass Henry den schlechtesten Ausdruck hat - im Vergleich zu deinen anderen Kindern. Ob jetzt schlecht oder neutral, mag ich nicht beurteilen.

Das, was du da beschreibst, kenne ich gut von meinem Älteren, der sonst ein sehr pflegeleichtes Kind war. Aufwachen, war bei uns eine Zeitlang ein echtes Problem, vor allem, wenn er geweckt wurde. Er war dann gar nicht richtig bei sich, wir kamen nicht an ihn heran. Nähe wollte er dann auch nicht. Also bin ich immer in seiner Nähe geblieben, ohne ihn zu halten, und habe signalisiert, dass ich für ihn da bin, wenn er mich braucht. Nach einiger Zeit kam er dann.
Bei uns war vor allem Müdigkeit ein Problem, er schlief tagsüber dann irgendwann nicht mehr, hätte diesen Schlaf aber dringend benötigt.

Und dieses Hin-und Hergerissen sein, zwischen 'Ich bin schon groß' und 'Ich kann nicht alleine' kenne ich auch sehr gut.
Bei uns hilft es immer sehr, wenn ich nicht darauf bestehe, dass er das doch schon alleine kann. Wenn er in guter Verfassung ist, dann kann er. Wenn er jedoch in schlechter Verfassung ist, z.B. weil einfach total müde, dann kann er wirklich nicht. Er stellt sich da nicht an.
Das kennen wir vielleicht von uns selbst.
Ich bestehe also nicht darauf, dass er es schon alleine kann, sondern biete _immer_ meine Hilfe an - auch wenn ich manchmal denke, muss das denn wirklich noch sein. Ja, bei uns, muss es sein.
Ich habe mir dann angewöhnt, ihn einfach zu fragen, ob er meine Hilfe braucht. Manchmal kommt dann sogar ein 'Nein, das kann ich schon alleine.' Für ihn ist ganz wichtig, dass er spürt, dass ich für ihn da wäre. Nur so hat er die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, dass er meine Hilfe in diesem Momant doch nicht möchte. Er läßt sich insgesamt zu nichts bringen, was er nicht möchte.

Vielleicht waren da ja jetzt ein paar Anregungen für dich dabei.
Liebe Grüße von
Heroto mit 3 Jungs (9, 7 und 3 J.)
Gaby
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Beitrag von Gaby »

Danke Heroto für deine Anregungen!

Ja, so wie du es beschreibst, läuft es bei uns jetzt auch. Nachdem es ja eine Zeit lang sehr gut geklappt hatte mit dem selbständigen An- und Ausziehen, ich dann aber wahrscheinlich zu viel Druck gemacht habe bzw. zu viel von ihm erwartete und er "dicht" machte, hab ich jetzt völlig den Druck herausgenommen. Ich helfe ihm, wenn er das möchte, denn wenn er im Moment eine schlechte Zeit zu haben scheint, mag ich ihm nicht wegen bestimmter "Kleinigkeiten" noch zusätzlichen Stress verursachen. Ich glaube, ich habe mich da ein bisschen von anderen Müttern verunsichern lassen, deren Kinder schon viel selbständiger sind, und von meinem eigenen Vergleich mit Pia, die wirklich IMMER alles allein machen wollte....

Ich habe mir jetzt mein eigenes Posting nochmal durchgelesen und mir ist aufgefallen, dass es doch seeehr negativ rüberkommt (ich glaube weil an dem Tag vieles nicht gut gelaufen war). Es ist nicht so, dass er ständig schreit/weint, sondern das Schreien kommt nur ab und zu in bestimmten Situationen auf (wenn er wütend ist, irgendetwas nicht so läuft wie er es möchte, wenn er müde ist pp.). Er ist in der überwiegenden Zeit ein ruhiger, freundlicher Junge, es gibt Tage, da weint er fast gar nicht (höchstens wenn er sich weh getan hat), es gibt aber halt auch Tage, an denen er viel weint. Es gibt Situationen, in denen er Frust erlebt und dann völlig ruhig reagiert, und dann mal wieder fängt er direkt an zu weinen. Bei ihm ist auch die Müdigkeit ein großes Problem.

Insofern haben mich die Kloeters-Briefe schon jetzt ein ganzes Stück weitergebracht, vor allem dieser Schlüssel zur guten Kindererziehung "Von der Stimmung der Kinder sollten wir es abhängig machen, ob wir nachgeben oder uns durchsetzen." Je mehr ich darüber nachdenke, umso besser gefällt mir dieser Leitsatz. Und ich hoffe, je mehr ich nach diesem Leitsatz vorgehe, umso besser komme ich dann auch mit Henri in seinen schwierigen Phasen klar!

LG!
mit 07/02, 05/04, 03/06 und 10/08

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maerz
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Beitrag von maerz »

Bevor ich mich daran mache, den 5. Brief zu durchdenken, will ich erst einmal noch etwas zum 3. und 4. Brief loswerden... ;)

Heroto hat geschrieben:Zum anderen kommt hinzu, dass ich ja noch eigene Pläne habe, die dadurch durchkreuzt oder verhindert werden.
Wenn ich weniger Pläne habe, wirklich mehr Zeit habe, einfach auf mein Kind einzugehen, dann läuft es bei uns auch eher rund.


Das stimmt natürlich, aber es liegt ja nun einmal nicht immer in meiner Hand, wieviel Pläne und wieviel Zeit ich habe. Es gibt gewisse Notwendigkeiten und gewisse Termine. Ich kann nachmittags nicht darauf verzichten, Eike aus dem Kindergarten abzuholen, wenn Inga gerade zur Abholzeit endlich müde wird...

Dann krallt sich Inga in mein Hosenbein, will auf meinen Arm und an meine Brust - aber ich kann nicht wirklich auf sie eingehen, weil ich sie und mich anziehen und zum Kindergarten fahren muss. Die Worte "Tröste dein Kind, wenn es weint" sind in meinem Kopf, aber wie soll ich das umsetzen?

Ich versuche dann, während des Anziehens immer wieder auf sie einzugehen - aber so zieht sich das alles unter Umständen über 20 Minuten hin, in denen Inga immer müder wird und immer lauter weint und ich immer ungeduldiger werde, weil mich das Weinen nervt und mir der Gedanke an Eike, der ja im Kindergarten wartet, im Nacken sitzt... :(
maerz
(mit drei Kindern: 2002 + 2006 + 2009)
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