Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Fragen und Antworten rund um das Thema Stillen

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jusl
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Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von jusl »

NB: einige Links hier drin gehen nicht mehr. Der Text wird zeitnah überarbeitet. Mondenkind

Hallo liebe Stillforums-LeserInnen,

in den Beiträgen im Stillforum taucht immer wieder mal das Thema Zufüttern auf. Deshalb haben wir hier die wichtigsten Infos zu diesem Thema zusammengefasst. Grundsätzlich sollten dabei einige Punkte beachtet werden:

* Zufüttern ohne medizinisch-stillberaterische Indikation kann sich negativ auf die Stillzeit auswirken. Soll dennoch zugefüttert werden, ist am wenigsten negativer Einfluss zu erwarten, wenn abgepumpte Muttermilch saugfrei zugefüttert wird, und das nicht allzu häufig.
* Bei medizinisch-stillberaterisch notwendigem Zufüttern ist die Methode zweitrangig; im Vordergrund steht ohne Einschränkung, dass das Baby genug Milch bekommt. Klappt notwendiges Zufüttern nur mit der Flasche und mit nichts sonst (das ist zwar sehr selten, aber nicht ausgeschlossen), dann ist das eben so.
* Die meisten Stillprobleme lassen sich ohne Zufüttern lösen. Es ist sinnvoll, während der Lösung dieser Stillprobleme nicht unnötig zuzufüttern, sondern sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.
* Die unterschiedlichen Methoden haben unterschiedliche Anwendungsbereiche. Prinzipiell ist es so, dass die für eine bestimmte Mutter/ ein bestimmtes Baby geeignete Methode nur individuell gefunden werden kann. Was bei Person A klappt, muss bei Person B in der vermeintlich gleichen Situation nicht unbedingt genauso gut funktionieren. Eine geeignete Zufütternmethode überhaupt erst herauszufinden, ist wesentlicher Bestandteil jeder entsprechenden Stillberatung; die Suche braucht etwas Zeit und Geduld und berücksichtigt immer die individuelle Situation.

Wir hoffen die Lektüre ist hilfreich,
LG
Julia



Stillfreundlich zufüttern

Um ein Stillbaby nicht dem Risiko einer Saugverwirrung auszusetzen, oder auch um eine bestehende Saugverwirrung erfolgreich behandeln zu können, sollte notwendiges Zufüttern nicht per Saugflasche geschehen. Besser ist, stattdessen eine stillfreundliche Methode zu wählen.


Saugfreie Methoden

Saugfreie Zufüttermethoden beeinträchtigen die Fähigkeit an der Brust zu saugen nicht. Sie sind sehr leicht zu erlernen und von Geburt an in jedem Alter für viele Fälle geeignet:
* um gelegentlich Milch zuzufüttern, z.B. bei Abwesehnheit/Babysitting ohne den Hintergrund bestehender Stillprobleme
* um relativ geringe Mengen notwendige Milch täglich zuzufüttern, z.B. bei Gedeihstörungen
* im Rahmen der Behandlung von Saugverwirrung
* während der Überwindung eines Stillstreiks
* um nach überstandenen Stillproblemen gelegentlich zuzufüttern, ohne erneute Saugstörungen zu riskieren.

Beim saugfreien Zufüttern wird das angeborene Saugbedürfnis des Babys nicht befriedigt. Dies ist in manchen Fällen egal (wenn das Baby bei bloß gelegentlichem Zufüttern ansonsten problemlos viel stillt und dabei sein Saugbedürfnis befriedigt), in manchen Fällen ausdrücklich wünschenswert (z.B. bei Stillstreik oder bei einer gut laufenden Um- oder Rückgewöhnung von der Flasche zur Brust) und in manchen Fällen eher ungünstig (z.B. wenn zu große Mengen zugefüttert werden müssen oder wenn das Baby sich deswegen andere ungünstige Saugroutinen angewöhnt).

Bechern und Löffeln

Hier geschieht das Zufüttern mit einem kleinen Löffel, einem kleinen Becher oder mit dem Softcup®. Das Baby sitzt dazu beinahe aufrecht und gut gestützt auf dem Schoß. Das Baby wird bei Bedarf in ein Tuch eingewickelt, damit es nicht mit den Ärmchen rudert, dies ist meist empfehlenswert. Löffel, Becher oder das Softcup®-Mundstück wird dann schräg an den Mund des Babys angesetzt, so dass etwas Milch die Unterlippe benetzt. Das Baby wird dann die Milch auflecken. Schon Frühgeborene können so gefüttert werden. Niemals darf einfach Milch in den Mund des Babys hineingeschüttet werden, es verschluckt sich sonst.
Wenn bei bestehenden Stillproblemen zugefüttert werden soll, das Stillen grundsätzlich aber noch klappt, dann ist es empfehlenswert, immer zunächst zu stillen und erst danach zuzufüttern.
Beispielvideo zum Zufüttern per Becher


Methoden mit Saugvorgang

Saugend Zufüttern ist etwas schwieriger zu lernen und besonderen Situationen vorbehalten. Wichtig: Lass Dich dabei unbedingt von einer erfahrenen Stillberaterin anleiten. Die beiden gängigen Methoden sind Finger-Feeding und das Zufüttern während des Stillens (entweder mittels Sonde oder mittels Brusternährungsset®).

Finger-Feeding

Finger-Feeding bedarf einer recht strengen Indikationsstellung, sonst kann es ebenfalls Stillprobleme auslösen oder verstärken. Zur Behandlung von Saugverwirrung eignet sich Finger-Feeding nicht so gut. Sinnvolle Einsatzgebiete können sein:
Behandlung von
* Saugschwäche
* falscher Saugtechnik
* falscher Zungenhaltung

Finger-Feeding klappt meist nur bei (sehr) jungen Säuglingen, auch dies begrenzt seine Einsatzmöglichkeiten. Beim Finger-Feeding liegt das Baby gegenüber der Mutter auf ihrem Schoß, sein Oberkörper lehnt an ihren angewinkelten Oberschenkeln. Das Baby saugt dann an ihrem kleinen Finger (der blitzsauber ist, einen so kurz wie möglich geschnittenen Fingernagel hat und mit dem "Kissen" nach oben zeigt). Währenddessen drückt die Mutter mit ihrer anderen Hand dem Baby in dessen Saugrhythmus(!) über ein dünnes Schläuchlein oder einen speziellen Finger-Feeding-Aufsatz mit einer Spritze etwas Milch in die Wangentasche. Der Finger muss an der richtigen Stelle im oberen Gaumen liegen, nicht zu weit hinten.
Babys mit einem starken Saugreflex neigen dazu, den Finger immer weiter in Richtung Hals einzusaugen. Das ist ungünstig. Babys mit übermäßigem Würgereiz hingegen können mit einer Kombi aus Finger-Feeding und Zungentrainigs unterstützt werden, sich nach und nach an den Reiz im Mund zu gewöhnen. Für saugschwache Babys ist Finger-Feeding oft nicht nur Zufüttermethode, sondern ein Teil der Therapie. Grundsätzlich ist hier unbedingt fachliche Begleitung sinnvoll, denn oft wird beim Finger-Feeding mit vorhergehender spezieller Gesichtsmassage gearbeitet, und der Finger muss zunächst von der Zungenspitze aus eingesaugt werden usw. - also bitte nicht auf eigene Faust.

Zufüttern an der Brust

Besonders elegant ist das Zufüttern abgepumpter oder künstlicher Milch während des Stillens. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Baby lernt bzw. festigt die richtige Stilltechnik, und das Saugen des Babys kurbelt automatisch die Milchbildung an. Dazu kann eine Spritze plus Schlauch genutzt werden (ähnlich wie beim Finger-Feeding, aber hier ist der Schlauch deutlich länger) oder das Brusternährungsset®. Das Brusternährungsset® ("BES") besteht aus einer Flasche, die mit Milch befüllt der Mutter um den Hals hängt. An die Flasche werden zwei Schläuche angeschlossen, die mittels Pflaster auf der Brust bis zum Brustwarzenansatz befestigt werden. Das Schlauchende ragt jeweils etwas über die Brustwarzen hinaus und liegt beim Stillen in der Mundhöhle des Babys. Während das Baby an der Brust saugt, fließt über den Schlauch Milch in den Mund des Babys. Wie leicht die Milch fließt, kann 1. über die Wahl der Schlauchsorte, 2. über die Position der Flasche und 3. über ein Ventil kontrolliert werden. Die richtige Wahl dieser Möglichkeiten ergibt sich aus der Indikationsstellung und sollte gemeinsam mit einer Stillberaterin überlegt und ausprobiert werden. Der Umgang mit dem BES erfordert eine gewisse Technik-Bereitschaft und Übung.

Das BES wird üblicherweise eingesetzt bei
* Relaktation
* dauerhaft oder vorübergehend deutlich zu wenig Milch
* Saugschwäche
* Umgewöhnung von der Flasche zur Brust.

Ab und zu kann es auch bei Saugverwirrung nützlich sein. Für gelegentliches Zufüttern / Zufüttern geringer Mengen, mit oder ohne med. Indikation, ist es weniger geeignet, da sein Einsatz recht aufwendig ist und Routine erfordert. Eine ausführliche Anleitung zum Stillen mit dem BES findet sich in dieser Broschüre, die Lektüre der Gebrauchsanweisung allein reicht meist nicht aus.
Vom Bundesinstitut für Risikobewertung gibt es eine Broschüre, in der verschiedene Zufüttertechniken skizziert werden, zum Teil mit Bildern: klick.

Zufüttern an der Brust kann man auch per Magensonde und Spritze:
Man nehme hierfür eine dünne Magensonde (zB von der Firma Braun, 50 cm lang mit Luer-Ansatz für eine Spritze, PZN 2197159 Ernährungssonde) und eine Spritze mit 10-20ml (abhängig von der geplanten Zufüttermenge, größere Spritzen sind unhandlich. Man kann sich auch mehrere kleine Spritzen vorbereiten und dann wechseln). Die Nahrung wird in die Spritze aufgezogen und die Sonde angeschlossen. Dann wird die Sonde durch Drücken auf die Spritze mit Milch gefüllt. Wir fixieren nun die Sonde an der Brust, wie auch beim BES. Die Spitze der Sonde sollte mit der Spitze der Brustwarze enden, bzw etwas darüber hinausragen, denn beim Stillen zieht sich die Brustwarze noch lang. Meist klebt man die Sonde so fest, dass sie am Gaumen des Kindes zu liegen kommt, in diesem Fall ist es aber nicht so wichtig wie es beim BES wäre.
Wenn alles vorbereitet ist, legen wir das Kind an. Wenn Du merkst, dass Dein Kind saugt, gibst du durch Drücken an der Spritze eine kleine Portion in den Mund des Kindes. Sollte man mehrere Spritzen brauchen, dann sollte beim Wechseln darauf geachtet werden, dass die Sonde mit Milch gefüllt bleibt und nicht Luft enthält, die dann in den Mund des Kindes gegeben wird.
Hier ist es nochmal mit Bild dargestellt (vorletzte Seite): http://www.bfr.bund.de/cm/343/zufuetter ... glinge.pdf
Miracleine
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Miracleine »

Danke für diesen Thread, Julia!

Magst Du ihn mal oben festpinnen, damit man ihn immer schnell wiederfindet? :wink:
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felifela
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von felifela »

Danke auch von mir für diese Übersicht! Wirklich informativ, übersichtlich und verständlich. Ich wäre auch für's Festpinnen, kann mir gut vorstellen, dass ich hier später nochmal was nachgucken möchte und dann ist es viel einfacher wieder zu finden.
LG felifela mit Sohnemann (07/11)
Mondenkind
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Mondenkind »

der thread ist in der linksammlung!
Linksammlung Stillwissen
da ist er immer zu finden.
Liebe Grüße, Mondenkind, Modteam Stillberatung

Sei ein Mensch! M. Reif

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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Regenbogen82 »

Da ich denke, dass hier mehr Leute lesen als in meinem eigenen Thema und es vielleicht noch andere interessiert:
Wenn ich das BES zum Zufüttern einsetze, wie läuft eine solche Mahlzeit idealerweise ab? Sollte ich erst ohne Stillen oder direkt mit? Dann erst den msr auslösen lassen und dann den Schlauch öffnen? Bis zum Seitenwechsel die ganze Zeit offenlassen oder zwischendurch abklemmen? Beim Seitenwechsel wieder erst msr auslösen lassen? Wie häufig wechseln?
Leider muss(te) ich mir den Umgang damit selbst beibringen, daher so viele Fragen.

Und wie sieht es mit Bechern aus, für unterwegs? Kann man sich das selbst beibringen? Welche Mengen sind dabei möglich? Einen softcup hätte ich hier.

Danke im Voraus! :)
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jusl
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von jusl »

Wenn ich das BES zum Zufüttern einsetze, wie läuft eine solche Mahlzeit idealerweise ab? Sollte ich erst ohne Stillen oder direkt mit? Dann erst den msr auslösen lassen und dann den Schlauch öffnen? Bis zum Seitenwechsel die ganze Zeit offenlassen oder zwischendurch abklemmen? Beim Seitenwechsel wieder erst msr auslösen lassen? Wie häufig wechseln?
Leider muss(te) ich mir den Umgang damit selbst beibringen, daher so viele Fragen.
Liebe Regenbogen82,

in Deinem Thread kann man gut verfolgen, vor welchen Fragen Du da derzeit stehst. Das "Problem" dabei ist: Deine Fragen können nur INDIVIDUELL beantwortet werden. Von Fall zu Fall werden die Antworten unterschiedlich ausfallen, je nach stillberaterischem Anlegen, aktueller Situation, medizinischer Vorgeschichte usw.
Deshalb können in dieser Grundinfo keine pauschalen Antworten stehen - es gibt sie nicht.
Und wie sieht es mit Bechern aus, für unterwegs? Kann man sich das selbst beibringen? Welche Mengen sind dabei möglich?
Mit Anleitungs ist's natürlich besser, aber zweifellos haben sich schon Müttern selbst das Bechern beigebracht. Es gibt inzwischen auch recht hilfreiche Videos, die in Stillberatungen gerne verlinkt werden.
Zur Mengenangabe gilt das Gleiche wie oben: Eine Pauschalaussage ist nicht möglich.

LG
Julia
Regenbogen82
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Regenbogen82 »

Entschuldige bitte. Da ich mich etwas planlos fühle, hatte ich gehofft, dass es da Standards gibt. Danke für Deine Antwort. :)
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von jusl »

Gar kein Problem. Mondenkind wird sich in Deinem Thread sicher bald melden. Und gute allgemeine Infos (das sind sozusagen die "Standards") sind in der Broschüre "Stillen mit dem Brusternährungsset" zu finden, die auch im Ausgangsposting dieses Threads hier verlinkt ist.

LG
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Misle »

Kleiner Hinweis: das Video zum Bechern ist nicht mehr auf Youtube verfügbar.
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Re: Grundinfo Stillfreundliche Zufüttermethoden

Beitrag von Mondenkind »

Daher steht da auch das hier:
jusl hat geschrieben: 27.02.2012, 12:25 NB: einige Links hier drin gehen nicht mehr. Der Text wird zeitnah überarbeitet. Mondenkind
Ich will den Text schon länger überarbeiten. Da kam mir aber ne Pandemie mit Schulschließung dazwischen :wink:
Liebe Grüße, Mondenkind, Modteam Stillberatung

Sei ein Mensch! M. Reif

Mondenkind mit K1 (3/08) und K2 (3/11)
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